Mitbestimmung braucht den Dialog

Mitbestimmung braucht den Dialog

Ein Interview mit Irene Schulz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall zur versuchten Kündigung von Nils-Holger Böttger.

 

F: Am 19. September hat der erste Gerichtstermin zum Kündigungsverfahren von Enercon gegen Nils-Holger stattgefunden und keine Einigung erbracht. Nils-Holger hat betont, dass es nicht nur um ihn geht, sondern, dass die Mitbestimmung bei Enercon insgesamt durch die Unternehmensleitung angegriffen wird. Ist das der Fall?

 

Irene Schulz: Ja, der Fall Nils-Holger ist das extremste Beispiel, aber kein Einzelfall. Aus verschiedenen Enercon-Firmen erreichen uns und die Öffentlichkeit Hinweise auf aggressives Vorgehen gegen Betriebsräte und offen gewerkschaftlich aktive Beschäftigte. Das ist nicht hinnehmbar. Deshalb steht die IG Metall hinter Nils-Holger und allen Enercon-Beschäftigten. Mitbestimmung ist nicht verhandelbar. Auch Enercon steht nicht über dem Gesetz.

 

F: Was will die IG Metall bei Enercon erreichen?

 

Irene Schulz: Die Beschäftigten wollen mit Respekt behandelt werden und mitreden. Sie wollen mitbestimmen können, wenn sie betroffen sind. Wo Defizite bestehen, wollen sie gemeinsam mit dem Unternehmen konstruktive Lösungen finden, die ihre Arbeitsbedingungen verbessern oder Missstände abstellen. Das gehört zur selbstverständlichen Normalität in den meisten Firmen der Metallindustrie. Nichts anderes will die IG Metall auch für Enercon erreichen.

 

F: Der Geschäftsführer, Herr Kettwig, hat davon gesprochen, dass er eine verbandspolitische Auseinandersetzung vermeiden will. Das bedeutet, dass er sich Betriebsräte wünscht, die nicht mit der IG Metall zusammenarbeiten. Was steht hinter dieser Aussage?

 

Irene Schulz: Zunächst einmal muss leider festgehalten werden, dass er sich offensichtlich Betriebsräte wünscht, die möglichst wenig tun oder wie kann die Kündigung von Nils-Holger sonst gedeutet werden, der nur seinen Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz nachgekommen ist.

 

Hinter Aussagen wie „verbandspolitische Auseinandersetzungen vermeiden“, steht letztlich nur der Wunsch der Unternehmensleitung, dass jeder Beschäftigte für sich selbst seine Arbeitsbedingungen verhandeln muss. Das bedeutet meistens nichts anderes als ein einseitiges Diktat durch den Arbeitgeber. Gemeinsam zu verhandeln, heißt mehr Macht zu haben und einen Tarifvertrag schließen zu können. Das kann kein Einzelner und auch kein Betriebsrat. Das können nur Arbeitnehmer, die sich in einer Gewerkschaft zusammenschließen.

 

F: Wie lange soll denn der Streit um die Mitbestimmung bei Enercon noch weitergehen? Das nützt doch eigentlich niemandem.

 

Irene Schulz: Es ist nicht nur so, dass der Streit um die Mitbestimmung niemandem nutzt, Enercon schadet sich durch sein Verhalten selbst und gefährdet seinen guten Ruf. Für die Energiewende ist das keine gute Nachricht, weil es ihre Akzeptanz in der Bevölkerung untergräbt. Ich kann daher nur dringend an Enercon appellieren, zu erkennen, dass die Betriebsräte des Unternehmens und die IG Metall, als die Gewerkschaft der Beschäftigten, keine Gegner des Unternehmens sind.

 

Enercon hat das Potenzial zu dem herausragenden Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende zu werden: Produkte, die technologisch vorne sind, der Umwelt nutzen und den Industriestandort Deutschland stärken, das verträgt sich gut mit der Übernahme sozialer Verantwortung als Marktführer. Der wichtigste Erfolgsfaktor, gerade in Technologiefirmen, sind engagierte und motivierte Mitarbeiter, die sich langfristig an das Unternehmen binden. Schon der Blick auf die Fluktuation im Unternehmen verrät, dass etwas nicht stimmt. Die Betriebsräte und die IG Metall sind bereit, konstruktiv anzupacken und in einen Dialog einzutreten. Enercon ist am Zug.

 

Danke für das Interview

 

 Irene Schulz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

Irene Schulz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall

 

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