Voller Saal in Aurich – Betriebsräte diskutieren über ihr Engagement bei Enercon

Voller Saal in Aurich

 

Betriebsräte diskutieren über ihr Engagement bei Enercon

150 Besucher diskutierten im Europahaus Aurich mit Betriebsräten. Betriebsratswahlen bei Enercon. Chancen für Unternehmen und Region.

Mitbestimmung als Chance für Unternehmen? Thomas Gelder muss fast ein wenig schmunzeln. »Was denn sonst«, versichert er: »Ich kenne kein Beispiel, wo es schlechter geworden ist, weil ein Betriebsrat gewählt wurde.« Im Gegenteil: Unternehmen wie VW seien so erfolgreich, gerade weil sie Mitbestimmung haben. Gelder weiß wovon er spricht. Die Interessenvertretung seines Unternehmens, der Papenburger Meyer Werft, feiert in diesem Jahr ihr 90-jähriges Jubiläum. Er selbst ist seit 1998 Betriebsratsmitglied, seit 2006 steht er dem Gremium vor. »Auch unserem Aktienkurs hat der Betriebsrat bisher nicht geschadet«, ergänzt ihn Heiko Pfanne, seit 1997 Betriebsrat bei der Deutschen Post AG.

 

podium

v.l.: Serhat Özdemir (Enercon-Tochter WEC Turmbau in Emden), Adrian Sobieraj (Betriebsrat der Enercon-Tochter WEA Service West), Beenhard Oldigs (Leiter des Europahauses Aurich), Thomas Gelder (BR Meyer Werft), Johann Saathoff (Direktkandidat im Bundestagswahlkreis Aurich) und Heiko Pfanne (Betriebsrat bei der Post)

 

Pfanne und Gelder praktizieren in ihren Unternehmen gelebte Mitbestimmung. Der Auricher Windanlagen­hersteller Enercon ist auf dem besten Weg dazu. In diesen Wochen werden in zahlreichen Tochterfirmen Betriebsräte gewählt. Die Beschäftigten sehen dies als Chance, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern und zugleich das Unternehmen weiter voran zu bringen – und damit auch etwas für die Region Aurich zu tun. Dieser Ansicht schienen auch viele Auricher Bürger zu sein. Denn unter den 150 Besuchern, die am Freitag abend zur Diskussions­veranstaltung »Frischer Wind im Betrieb« in das Europahaus Aurich kamen, waren zahlreiche Auricher und auch eine Reihe Enercon-Beschäftigte. Der Andrang war so groß, dass die Veranstaltung kurzfristig in den großen Speisesaal des Europahauses verlegt werden musste.

 

Im Mittelpunkt der Diskussion standen die Berichte der jungen Enercon-Kollegen. Einer von ihnen war Adrian Sobieraj, der erst im September in den Betriebsrat der Enercon-Tochter WEA Service West gewählt wurde. »Wir brauchten ein wenig Zeit, kommen inzwischen aber gut zurecht«, so seine Bilanz der ersten Monate. Gerade arbeitet er mit seinen Kollegen daran, die Nachtarbeit zu begrenzen. »Wir arbeiten gerne bei Enercon, aber wir brauchen Zeit, um uns zu regenerieren«, so Sobieraj. Das sei schließlich auch im Sinne der Kunden und damit des Unternehmens.

 

Serhat Özdemir von der Enercon-Tochter WEC Turmbau in Emden ist zwar kein Betriebsrat. Doch als Wahlvorstand hilft er dabei, dass es bald eine Interessenvertretung für seine mehr als 600 Kollegen geben wird. Auch er ist stolz, für ein »grünes« Unternehmen wie Enercon zu arbeiten – »ein Rädchen bei der Energiewende zu sein«. Jetzt fehle nur noch die Mitbestimmung. Dabei fand er auch ein Lob für seine Geschäftsleitung: »Wir haben bisher noch keine Schwierigkeiten erlebt.«

 

Johann Saathoff, Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Emden-Aurich, lenkte den Blick aufs große Ganze: »Enercon hat die Energiewende ein großes Stück vorangebracht«, lobte der SPD-Politiker. Gerade deshalb könne es sich das Unternehmen gar nicht leisten, der sozialen und gesellschaftlichen Verantwortung hinter den eigenen Türen nicht nachzukommen.  Er appellierte an Enercon, einen Neustart beim Thema Mitbestimmung zu wagen – »egal, was in der Vergangenheit passiert ist«. Denn: »Wir müssen gemeinsam mit dem Gedanken rausgehen, dass Betriebsräte etwas Gutes sind.« Auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten, hätten Unternehmen einen starken Partner, die Verantwortung zu teilen.

 

Und was denken die Auricher? Das Publikum diskutierte rege mit. Ein Vertreter der Firma Enercon trug seine Bedenken über die Kosten für »wöchentliche Sitzungen und Fortbildungskurse« der Betriebsräte vor. Auch darüber müsse geredet werden.

 

zuschauer

Das Publikum diskutierte rege mit

 

Ein anderer Teilnehmer betonte, dass es sich bei einem Betriebsrat um eine »Investition in die Zukunft« handele. Er sorge dafür, dass »Mitarbeiter, das Unternehmen nicht verlassen, sondern mit Herz und Seele dabeibleiben«. Eine Art Schlusswort setzte ein anwesender Enercon-Betriebsrat aus Aurich. Er appellierte an seine Kollegen, sich zu engagieren. Wer etwas ändern wolle, müsse sich auch dafür einsetzen.

 

Zumindest für diesen Abend waren die Zeiten der verhärteten Fronten vorbei. Nach der Diskussion kamen Besucher zum gemütlichen Imbiss zusammen. Unter vier Augen wurde so mancher kontroverser Punkt noch einmal in Ruhe besprochen. Vielleicht konnten nicht alle Meinungsverschiedenheiten aus der Welt geräumt werden. Doch in einer Sache waren sich alle einig: Der an diesem Abend begonnene Dialog soll fortgeführt werden.