Offener Brief der IG Metall-Vertrauensleute bei Vestas

Offener Brief der IG Metall-Vertrauensleute bei Vestas

Die Vertrauensleute der Vestas Deutschland GmbH haben einen offenen Brief an die Geschäftsleitung, die QSE-Abteilung und den Betriebsrat geschrieben.

 

Die Konsequenzen, welche durch die gesperrten Servicelifte entstanden sind, spüren die Monteure jeden Tag. Sie müssen nun einen Großteil der WEAs über die Leiter besteigen, was zu einer deutlich erhöhten Arbeitsbelastung geführt hat. Auch hat Vestas es bisher versäumt eine für ALLE geltende Regelung zu erarbeiten und zu kommunizieren. Viele Monteure und Technische Gebietsleiter sind verunsichert und haben sich deswegen u.a. an die Vertrauensleute gewendet. Der Vertrauenskörper hat sich entschlossen dieses Thema inhaltlich aufzuarbeiten und die Ergebnisse in einem offenen Brief der Geschäftsleitung, der QSE- Abteilung und dem Betriebsrat mitzuteilen.

 

 

 

 

Es folgt der Brief an die Geschäftsleitung, der QSE-Abteilung und den Betriebsrat:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Benutzen der Steigschutzeinrichtungen an Anlagen bis 105m ist zwar nach der Anweisung von Julian Demetz vom 15.10.2015 geregelt, wenn der Aufzug gesperrt ist. Aber was ist, wenn dieser Weg mehrmals täglich gemacht werden muss? Dazu gibt es keine Vestas-Regelung.

Wie sieht es bei Störungsteams aus, die mehrere Anlagen pro Tag anfahren oder mit den Trafoteams, die die gleiche Anlage mehrfach rauf- und runterlaufen müssen? Im OHS-Manual steht nur, dass jeder mit seinem eigenen Tempo steigen soll, sonst nichts. Kann der Monteur das wiederholte Besteigen der Anlage auch verweigern?

Die Entscheidung und damit die Verantwortung werden wieder mal auf den Monteur abgewälzt und die Geschäftsleitung ist fein raus. Nicht jeder kann sicher abschätzen, wieviel er sich selbst zumuten kann oder sollte.

 

Es macht schließlich einen großen Unterschied, ob nur ausnahmsweise oder ständig gelaufen werden muss. Bei den Monteuren kommt es inzwischen schon zu vermehrten Problemen mit Rücken, Knien und Schultern, wie es bereits mehrere Teams dem Betriebsrat berichtet haben.

 

An dieser Stelle der Hinweis auf das Vestas OHS-Manual:

 

Vestas OHS Manual

Vestas OHS Manual

 

Unsichere Bedingungen können auch durch Überanstrengung entstehen. Gerade das Klettern bzw. Steigen stellt nach dem Arbeitsschutzgesetz DIN EN 50308 und BGI/GUV-I 504-46 Juli 2009 BG Grundsatz G 46 eine anstrengende arbeitsbedingte Bewegung mit hoher dynamischer Ganzkörperbelastung dar, dabei sind Risikofaktoren:

 

  • Steighöhe pro Person und Tag
  • Dauer
  • Häufigkeit
  • Umwelteinflüsse (z. B. Winter)
  • Absturzgefährdung
  • Gefährdungs- und Belastungsarten wie:
    • Grenzkraft
    • isometrische Maximalkraft
    • Grenzwerte von Herzschlagfrequenz
    • Energieumsatz
    • muskuläre Beanspruchungen

 

Eine Anweisung „Jede Person wählt ihr eigenes Tempo“ ist für diese gefährliche und belastende Arbeitssituation nicht angemessen.

 

Monteure sind Monteure und keine Arbeitsmediziner oder Arbeitswissenschaftler.

 

Das Risiko von Überlastung und Langzeitschäden am Muskel- und Skelettsystem wird auf den Monteur abgewälzt.

 

Speziell im Winter kann die Kombination aus der großen Anstrengung beim Aufstieg (Schwitzen) und der anschließenden stundenlangen Arbeit im windigen und kalten Maschinenhaus leicht zu einer Erkältung führen.

 

Heben, Halten und Tragen z. B. des Rettungsgeräts und Ziehen und Schieben wären auch noch zu berücksichtigen.

 

Klare maximale Grenzen sind vom Arbeitgeber zu setzen, um die Mitarbeiter im zulässigen gesetzlichen  Arbeitssicherheitsrahmen zu führen.

 

Es geht dabei nicht um Bevormundung, sondern die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer:

 

Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht

 

In Deutschland ergibt sich die Fürsorgepflicht aus §§ 617 bis 619Vorlage:§/Wartung/buzer BGB als Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, die aus weiteren Gesetzen ergänzt wird (z.B. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für den Handlungsgehilfen, § 62 HGB). Der Arbeitgeber ist danach gehalten, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die jeden Beschäftigten vor Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit schützen. Hierzu bestehen bereits eine Reihe von gesetzlichen Schutzvorschriften, etwa

 

  • die Arbeitsstättenverordnung
  • das Arbeitsschutzgesetz
  • das Arbeitssicherheitsgesetz.

Außerdem: Was ist mit den Rettungsgeräten? Wenn die auch noch von Plattform zu Plattform hochgezogen werden müssen, steigt die körperliche Belastung noch weiter an.

 

Wann sollen die Überprüfungen der Blocstop-Vorrichtungen durchgeführt sein? Gibt es konkrete Pläne, ab wann die Befahranlagen wieder im vollen Umfang zur Verfügung stehen?

 

Im Auftrag der Monteure fordern wir, die IG Metall-Vertrauensleute bei Vestas, klare Richtlinien, die für ALLE verständlich sind und für ALLE gelten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Die Vertrauensleute der Vestas Deutschland GmbH

 

Vertrauensleute der Vestas Deutschland GmbH

Vertrauensleute der Vestas Deutschland GmbH

2 Kommentare
  1. Als Monteur der lange Zeit hauptsächlich NEG-Micon-WEA betreut hat kann ich diesen Wirbel nicht ganz nachvollziehen. Unsere WEA hatten Nabenhöhen zwischen 50 und 80m und wir mußten über Jahre jeden Tag die WEA hochklettern, Sommer wie Winter auch mehrmals täglich. Natürlich gibt es Situationen wie die Trafowartung wo das übertrieben oft vorkommt. Ansonsten ist die Diskusion für mich wie ein Schlag ins Gesicht.

  2. Hallo Sven

    Wie Du sicher mitbekommen hast, hat sich das Sicherheitsbewußtsein von Vestas in den letzen Monaten/Jahren sehr verändert. Dies sollte auch bei den Monteuren ankommen und von Ihnen umgesetzt werden. Was früher gang und gäbe war, ist heute nicht mehr aktuell.
    Ich denke, Dir als Altmonteuer brauche ich Dir da keine Beispiele nennen.

    Was diese Diskussion angeht, du sprichst selber von Nabenhöhen zwischen 50 und 80 Metern. Heute sind 100M Standard und es geht hinauf bis 150M.
    Was ich damit sagen will, wir sind alle älter geworden und die WEA´s höher. Meinst du diese Belastung geht spurlos an uns vorüber ? Möchtest du diese Höhen ein paar Mal am Tag klettern ?

    Gruß, Martin

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